Science-Fiction Geschichten

SciFi | Begegnungen mit Aliens - SciFi Kurzgeschichten | B.0717

Kapitel 9 # Glubschauge (Die Zyrzon-Akten)

"Und wie sind Sie hierher gekommen?" Glubschauge schaute mich fragend an. Beide saßen wir direkt vor den Gitterstäben aus irisierender Formenergie und warteten darauf, dass diese sich - wie immer um diese Zeit - wie von selbst nach Außen verschieben würden, um uns für ein Viertelstündchen einen etwas geräumigeren Auslauf zu ermöglichen. Die beiden blauen Sonnen von Zyrzon standen fast schon im Zenit; bald musste es wieder so weit sein.

"Ja, mein lieber Glubschauge, das ist eine recht bizarre Geschichte!" sagte ich mit einem freundschaftlichem Unterton. Den vertraulichen Unterton schien mir Glubschauge nicht übelzunehmen. Ebenso nicht den Spitznamen, den ich ihm aus naheliegenden Gründen verpasst hatte. Dann erzählte ich Glubschauge meine Geschichte:

"Eines Tages stand ein grünes Männchen vor meiner Tür: Klein, wie es sich gehört, seitlich am Kopf die obligatorischen zwei Antennen - und freundlich: "Sind Sie der Präsident?" "Ja!" antwortete ich und wunderte mich, wo meine Security war. "Sie erhalten die förmliche Zustellung des intergalaktischen Strafgerichtshofs. Ich staunte und das Männchen reichte mir ein plastikartiges Blatt Papier. "Bitte, quittieren Sie mir hier den Empfang!" sagte das Männchen - weiterhin freundlich. Ich wollte unterschreiben und tastete meinen Pyjama erfolglos nach meinem Füllfederhalter ab. Denn es war erstens frühmorgens und zudem Wochenende! "Nein, nein!" wehrte das Männchen ab: "Ich benötige keine Unterschrift. Sondern Ihre Gen-Signatur! Tippen Sie mit ihrem Zeigefinger einfach in diesen runden Kreis" Das tat ich dann auch: "Prima!" strahlte das Männchen: "Dann haben wir hier doch schon Ihre versiegelte Genprobe. Damit ist es amtlich!"

"Was ist amtlich?" wollte ich wissen.
Das Männchen sagte: "Als führendem Repräsentanten des Planeten Erde wurden Sie vor dem IGSGH, dem InterGalaktischen StrafGerichtshof angeklagt, gegen die intergalaktische Umweltschutzvorschrift 4.568.972.a Abschnitt 2 Satz 4 verstoßen zu haben."
"Ah-" sagte ich. "Mein Büro hat mir bislang kein derartiges Schriftstück vorgelegt!"
"Das macht nichts" entgegnete das Männlein und strahlte: "Gemäß § 9 des Intergalaktischen Strafgesetzbuches braucht der gesetzliche Vertreter eines angeklagten Planeten oder einer Planetenvereinigung nicht persönlich anwesend zu sein, sofern die Zahl der Einwohner die Zahl von 50 Galaktilliarden Individuen unterschreitet -" Das Männchen holte kurz etwas Luft: "Oder dem betreffenden interplanetaren Planetenverbund weniger als 27 besiedelte Planeten angehören..." Es sah mich lauernd an.
"Ja, nun, wir haben in der Tat nur diesen einen Planeten. Und auch keine 50 Galaktilliarden Einwohner - was für eine Zahl das immer auch sein mag!"
"Jedenfalls-" - fuhr das Männchen geschäftig, aber freundlich fort, "Die Verhandlung wurde gemäß der Statuten in Ihrer Abwesenheit geführt. Ein von der IGSGH bestellter Pflichtverteidiger hat Sie gebührend vertreten."

"Ein Pflichtverteidiger?"

"Ja, ein Wurmling!" erklärte das kleine grüne Männchen mit einigem Eifer: "Wissen Sie, Wurmlinge sind an sich zu nichts anderem zu gebrauchen: Die studieren einige Jahrzehnte meist recht erfolglos an der juristischen Fakultät an der Urknall-Universität im galaktischen Zentrum herum -"
"Einige Jahrzehnte ?"
"Ja gut. Das muss man verstehen-- Sie haben´s natürlich auch schwer und verlieren etliche Jahre an Zeit durch ihre mühsame Art der Fortbewegung zwischen den Hörsälen"

"Aha" sagte ich "Und so einer - war mein Pflichtverteidiger?!"
"Tja, leider!" sagte das Männchen und zuckte bedauernd mit seinen grünen Schultern: "Es ist halt so: Wenn die Wurmlinge dann nach 80, 90 Jahren fertig studiert haben, hat sich die intergalaktische Gesetzeslage meist schon wieder vollkommen verändert. Und deshalb -" Das kleine grüne Männchen nickte mir verständnisvoll zu, bevor es fortfuhr: "Und deshalb sind die Wurmlinge als Anwälte nicht so sehr gefragt. Die meisten fristen ihr Dasein mit Gelegenheitsjobs als Parkhauswächter und als Pflichtverteidiger!"

"Ja dann -" sagte ich. Vor meinem Innern sah ich unwillkürlich einen Wurmling-Absolventen, der nach 80-jährigem Jura-Studium an seinem ersten Arbeitstag im Parkhaus von einem unachtsamen Autofahrer überfahren wurde..

"Nichtdestotrotz wurden Sie letztlich schuldig gesprochen.."
"Ich?"
"Ja, Sie!" Das Männchen machte eine dramaturgische Pause, und lächelte mitleidig: "Sie sind zu 5.000 Jahren verschärfter Zwangsarbeit mit anschließender Sicherheits-Verwahrung verurteilt; auf dem Planeten Zyrzon."

Ich war sprachlos, Das ganze schien mir grotesk. Heimlich schielte ich nach links und nach rechts, und suchte nach den versteckten Kameras! Vorsichtshalber lächelte ich. "Sie nehmen´s wenigstens mit Humor!" sagte das Männchen. "Die meisten reagieren nicht so.."
Jetzt war ich mir sicher: Versteckte Kamera! Mein Team, einschließlich der Security, spielte mir einen Streich. Dann fiel mir etwas dazu ein; ein lustiger Spruch: "Solange lebe ich doch gar nicht?" sagte ich. Aber gleichzeitig wurde mir klar, dass es hier keine versteckten Kameras gab: Weder links, noch rechts, noch gerade aus. Und eine Drohne war auch nicht zu sehen. Abgesehen davon, dass Drohnen im Präsidentengarten strengstens verboten waren."

"Oh doch!" das tun Sie!" sagt das grüne Männchen. "Das ist ja das Gute daran.." Es zögerte kurz, bevor es fortfuhr: "Wenn die Strafe auch anderweitig mit sehr vielen Unannehmlichkeiten verbunden ist - " Das Männchen schaute mich durchdringend an "Mit sehr vielen!" "Ach ja?" sagte ich. "Ja!" nickte das Männchen. "Aber um auf den Punkt zu kommen: Um die Verbüßung Ihrer Strafe zu ermöglichen, erhalten Sie für die Zeitdauer Ihrer Haft die relative Unsterblichkeit!" "Und dann? Und danach?" "Danach altern Sie wie gewohnt weiter!"" das kleine grüne Männchen, rieb sich die Hände und kicherte: "5.000 Jahre sind Sie eingesperrt. Das ist langweilig! Sowas von langweilig! Sie wünschen sich die ganze Zeit die Freiheit. Nicht mehr, als die Freiheit! Und dann, nach 5.000 Jahren, haben Sie noch ein paar Jährchen in Freiheit. Und Sie wünschen sich für den Rest Ihrer Tage nichts sehnlicher, als ein Stückchen ihrer relativen Unsterblichkeit zurück!" Das Männchen kicherte wieder. "Aber nichts für ungut! Ich tue ja nur meinen Job -"

"Und dann?" wollte Glubschauge wissen: "Wie ging Ihre Geschichte weiter?" "Ja, und dann", erzählte ich meine Geschichte weiter: "Dann das Übliche: Das grüne Männchen hat mich schockgefrostet, in seine Untertasse geschoben und weg waren wir!"

Glubschauge hatte mir aufmerksam zugehört und seufzte: "Ja, so ähnlich war´s bei mir auch!  Ich war mal Imperator über dreihundert Milliarden Amphibien auf einem herrlichen Wasserplaneten. Mit Sümpfen, Seerosen, Wasserlinsen, Algen und allem drum und dran! Das war herrlich!" Glubschauge dachte an lange zurückliegende Zeiten und sein Blick wurde trübe: "Und dann: Ja, dann stand eines Tages auch ein grünes Männchen vor meinem Seerosenpalast--" : "Meine Anklage lautete auf planetare Wasserverschwendung.. Aber - das ist lange her. Sehr lange!"

Glubschauge richtete sich auf und patschte mir mit seinen glibberigen Schwimmhäuten aufmunternd auf meine Schulter: "Die Hälfte haben wir wenigstens bald hinter uns" tröstete er mich.

E N D E

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