Science-Fiction Geschichten

SciFi | Sternenfeuer: Logans Tod | B.0023

Kapitel 1 # Sternenfeuer

Die Kassiopeia trieb antriebslos durch das Sternensystem auf die fremde Sonne zu. Fremd war die Sonne: Ein blaues Leuchten, ab und an unterbrochen von magentafarbenen Blitzen, tauchte die Brücke der Kassiopeia in ebenso fahles wie unwirkliches Licht.

Die blaue Sonne nahm den größten Teil des Hauptbildschirms auf der Brücke ein. Wenigstens der funktionierte noch. Abgesehen davon war die Kassiopeia durchlöchert, zu Schrott geschossen; ein luftleeres Gerippe und Grab von tausend Menschen. Das zentrale Schutzsystem hatte die Brücke hermetisch abgeriegelt. Der Sauerstoff mochte noch für einige Stunden oder Tage reichen. Zu kurz, um es einer Rettungsflotte zu ermöglichen, noch Überlebende zu bergen.

Wenn es denn außer Fähnrich Kasperski und Admiral Logan überhaupt noch Überlebende in den anderen Bereichen des Flaggschiffes geben sollte. Und bei Admiral Logan lief die Uhr ihrem Ende entgegen. Der Admiral hatte ein schmerzverzerrtes Gesicht: Sein Unterkörper war zwischen einem auf den Boden gequetschten Stahlpfeiler eingeklemmt. Kasperski hatte es dem Admiral so bequem wie unter diesen Umständen möglich gemacht, ihm zwei Kissen unter Kopf und Rücken geschoben und ihm ein Morphin-Pflaster auf den entblößten Oberarm geklebt. Der Medorobot hatte nicht mehr funktioniert, und so hatte Kasperski die Versorgung von Logan übernommen.

"Kasperski!" sagte Logan und biss die Zähne zusammen: "Es tut höllisch weh! Aber ich schätze, allzu lange werde ich mit den Schmerzen nicht mehr zu tun haben." "Ja, Sir!" "Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal im Glanz eines blauen Riesen sterben werden. Ist die Umlaufbahn denn stabil, oder wird die Kassiopeia in die Sonne stürzen?" "Nein, die Umlaufbahn isst vorerst stabil!" sagte Kasperski. Und dachte bei sich: "Zumindest stabil genug, bis Sie von uns gehen. Denn werde ich mit der Kassiopeia - oder dem, was davon übrig ist, ziemlich sicher in die Sonne stürzen!"

Logan drehte den Kopf: "Kasperski!" "Ja, Sir!" "Ich habe eine Bitte.." "Sir?" "Sie wissen, ich bin ein alter Kämpfer. Furchtlos noch dazu. Und Angst habe ich keine .- dachte ich bisher. Aber jetzt, wo´s dem Ende zugeht.." Logan fiel es zunehmend schwerer, zu sprechen. "Kasperski", sagte er heißer, "ich habe gesehen, dass Sie kürzlich am Ostergottesdienst teilgenommen haben. Es waren nicht viele in der Messe. Eine Handvoll vielleicht. Aber im Vorbeilaufen habe ich gesehen, dass Sie auch mit dabei standen!"

Kasperski nickte. Er dachte an den Ostergottesdienst zurück. Die Flotte hatte gerade Suranus 7 passiert: Ein herrliches Leuchtfeuer vor dem Halo der Milchstraße - und Andromeda in fast greifbarer Nähe. Pfarrer Möbius hatte aus dem Johannes-Evangelium gepredigt. Und bei der Stelle "Ich bin die Wahrheit und das Leben" hatte Möbius mit einer weitausholenden Geste, die das ganze Panoramafenster umfasste, alle Menschen in der Messe und ebenso das ganze Universum mit eingeschlossen. Das mobile Kreuz, das der Pfarrer vor jedem Gottesdienst auf einem der Messetische aufstellte, hatte geleuchtet und gefunkelt - im Widerschein des hereinfallendes Sternenlichtes von Myriaden von Sternen.

Jetzt musste Möbius wohl tot sein. Elend umgekommen, in der Untersektion des Schiffes, die bei dem Angriff geradezu zerfetzt worden war. Ein schneller Tod - wenigstens. "Kasperski!" sagte Logan mit verlegener Stimme: Es mag für Sie vielleicht überraschend sein. Aber können wir ein bisschen über Gott sprechen?" Kasperski war tatsächlich überrascht, war es doch unter manchen alten Kämpen der Sternenflotte mehr als verpönt, an Gott zu glauben - und nicht an die eigenen Kraft und Stärke der Sternenflotte und der Armee. Kasperski nickte, holte das kleine, über die Jahre abgegriffene Heftchen mit den Evangelien aus seiner Uniformtasche. Und sie sprachen über Jesus. Und über Gott - ziemlich lange. [...]

Logan konnte nun nicht mehr sprechen, Mit weit aufgerissenen Augen schaute er Kasperski an, als wolle er ihm noch etwas sagen. Sein Atem ging schnell und flach. Er erbrach weiße Flüssigkeit. Wieder und immer wieder. Das musste das Ende sein.

Kasperski nahm Logans Gesicht sanft in seine Hände. Logan schaute ihn, unfähig zu sprechen, unverwandt und mit klarem Blick an; heftete seine Augen gerade zu auf ihn, Sein Atem ging flacher. Die Pausen zwischen den Atemzügen nahmen zu. Logan war kaum mehr in der Lage, das Erbrochene, das hinten in seiner Kehle schwamm, hervor zu husten. Kasperski wusste zuerst nicht, was er sagen sollte. In diesem Moment zwischen Leben und Tod.

"Wir haben Sie lieb!" sagte Kasperski schließlich zu ihm: "Haben Sie keine Angst! Der liebe Gott passt auf Sie auf! Haben Sie keine Angst! Der liebe Gott passt auf Sie auf!" Und das wiederholte Kaspersksi immer wieder, während Logan zuerst noch einen tiefen; und dann zwei, drei ganz schwache Atemzüge machte, und dann starb.

Logan hatte seinen Blick noch im Tod unverändert auf Kasperski geheftet: Klar, fragend, und - ruhig. Kasperski holte tief Luft - - -.

Kasperski starb einige Stunden später, als die Kassiopeia in die Sonne stürzte und in einem orange-roten Funkenregen wie eine lodernde Fackel verglühte. Das letzte, was er sah, waren Admiral Logans Augen, die ihn auch im Tod immer noch auf die gleiche Weise anblickten. Jetzt gaben sie Kasperski Halt. Denn es war, als ob nun Logan durch seine Augen mit ihm sprach: "Haben Sie keine Angst, Fähnrich! Wir haben Sie lieb! Der liebe Gott passt auf Sie auf!"

Und Kasperski hatte keine Angst mehr. In seinen letzten Augenblicken wusste er, dass nach dem Glühen der Sonne etwas Anderes, Größeres kommen würde: Etwas, das ihn bergen würde und in dem er geborgen war: Geborgen in der Hand Gottes.."

 

E N D E

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